Kriegerische Ereignisse
Die Kriege des 17. Jahrhunderts
nach dem Heimatbuch Eckernförde Teil II, bearbeitet von Johannes Witt, 2004
War das vergangene 16. Jahrhundert, das Jahrhundert der Reformation, für Schleswig-Holstein trotz aller sozialen und wirtschaftlichen Umbrüche eine langwährende Friedenszeit, so herrscht in diesem Jahrhundert der Krieg mit allen seinen Schrecken und Nöten, seinen Gewalttaten und Verwüstungen. Mehrmals haben fremde Heere mit ihren zuchtlosen Söldnerscharen aus aller Herren Ländern die ihnen fruchtbar und reich gepriesenen Herzogtümer plündernd durchzogen, so auch unser Gebiet.
Doch der erste Krieg entzündete sich weitab von Schleswig-Holstein, im böhmischen Prag. Dort ging es um Religionsfreiheit. Doch dieser Glaubensstreit nimmt sehr bald machtpolitische Züge an und erreicht über die politische Zündschnur unser Land.
Hier war es bislang ruhig. Die Schleswig-Holsteiner waren deutsch und geeint, aber dänische Staatsbürger. Die Rivalität zwischen Dänemark und Schweden bestand weiterhin, aber sie führte zu keinem offenen Konflikt, noch nicht.
Der forsche König Christian IV. sah in dem Religionsstreit in Deutschland eine Möglichkeit, die mächtig gewordenen Schweden zurückzudrängen und „das nordische Gleichgewicht“ in seinem Sinne wieder herzustellen.
Als Herzog von Holstein ließ er sich zum Obersten des Niedersächsischen Reichskreises wählen, der sich zum Schutze der Evangelischen gegen den (katholischen) Kaiser auflehnte.
Damit lenkte er die volle Aufmerksamkeit der katholischen Liga auf den Norden. Sie kam unter dem kriegserfahrenen Grafen Tilly und das kaiserliche Heer unter Wallenstein, dem Herzog von Friedland, in den niederdeutschen Raum.
Der Gottorfer Herzog Friedrich III. ahnte, was auf den dänischen König zukam. Er versuchte auf dem Verhandlungswege mit Tilly und Wallenstein einen Sonderfrieden zu schließen Er erreichte nur, daß der Friedländer ihm einen Schutzbrief ausstellte, den aber weder Offizier noch Musketier beachteten. Denn die Landsknechte erhielten zwar ihren Sold, aber alles was sie durch Plünderung ergattern konnte, vermehrte ihr Einkommen.
Nun begann die Geschichte auf Schleswig-Holstein herumzutrampeln.
Was jetzt folgte muß für unsere Vorfahren grausam gewesen sein. Die Truppen der Liga hausten fürchterlich. Einquartierungen, Kriegssteuern und Plünderungen lösten einander ab.
«Wie ein verheerendes Ungewitter», schreibt Kock (Lehrer und Heimatforscher des Kreise Eckernförde), «bricht dann im Spätsommer 1627 überraschend die Wallensteinische Vorhut unter dem berüchtigten Grafen Schlick in das Land, noch bevor die Ernte ganz geborgen ist. Bald bringen eilende Boten dem Herzog von Gottorf die Klageschreiben der Bauernvögte aus dem Amt Hütten über widerfahrene Gewalttat, über Raub und Plünderung und Wegtreiben des geraubten Viehs, über Abdreschung des Korns, das von der Soldateska in den Städten für ein Spottgeld verschleudert wird.
Von den Dörfern Brekendorf, Sorgwohld und Elsdorf, Duvenstedt, Mohr und Lohe, Kropp und Ahlefeld, Bistensee und Ramsdorf, Owschlag, Norby und Hummelfeld, Haby, Bünsdorf und Ascheffel, Hohn, Kosel und Weseby hat Kock nur kurze Angaben sammeln können. Sie sprechen aber eindringlich von schwerer Schicksalen. Borgstedt fehlt in der Aufzählung. Das kann an der Tatsache liegen, daß das Dorf zum Festungsbereich Rendsburgs gehörte.
Überall lodern Flammen, brennen große und kleine Höfe nieder. Und wer mit dem Haus, Hab‘ und Gut verloren hat, flüchtet mit Frau und Kinder in die noch immer ausgedehnten Wälder einem ungewissen Schicksal entgegen. Manch einer kehrt nicht wieder zurück. Die Felder bleiben unbebaut. Sie liegen «wüste». Wo in den Dörfern alles Getreide geraubt ist, muß das herzogliche Gottorf für Saatkorn sorgen. Verheerender, fast als die Plünderungen und Räubereien einer zügelloser Soldateska, wütet die Pest. In den wenigen Jahren von 1627 bis 1629 mögen ohne das völlig eingeäscherte Weseby etwa 30 Stellen wüst geworden sein. Sie werden erst nach Jahren wieder besetzt.
«In ihrer Not», schreibt Kock, «ließen die Bauern ihre Höfe im Stich und wurden Tagelöhner oder Bettler, weil die Qual der Tage trotz aller Mühe und allen Fleißes unerträglich wurde. Verlassene, ‘wüste‘ gewordene Bauernhöfe wurden wiederholt, aber meistens vergeblich durch die Geistlichen von den Kanzeln angeboten, und es bedurfte vielfach dringender Überredung durch die behördlichen Organe, um Personen zu gewinnen, die das Wagnis unternahmen, Hufner, Halbhufner oder Wurtsitzer zu werden. Das ist das Bild, das uns in der ‘Beschreibung‘ fast Seite auf Seite entgegentritt.»
Christians Heer wurde am 27. August 1629 bei Barenberg geschlagen. Christian mußte Frieden schließen, dessen Bedingungen Wallenstein diktierte. Die Truppen der Liga zogen wieder ab, die Pest ließen sie hier und Christians Truppen zogen wieder in Rendsburg ein.
In der nun folgenden Nachkriegszeit erholte sich die Wirtschaft (Holz,-Kornhandel, Brauereiwesen, Transithandel) in der Region, während der Krieg im übrigen Deutschland immer verheerendere Ausmaße annahm. Doch der beständige schwelende Konflikt zwischen den Dänen und Schweden stürzte die Region fünfzehn Jahre später erneut in den Krieg. Durch den erzwungenen Frieden, den Christian IV. mit der Liga schließen mußte ermuntert, glaubten die Schweden ihrerseits „das nordische Gleichgewicht“ wieder herstellen zu können.
1643 fielen die Schweden unter General Torstensen in Holstein ein. Der Einfall der Schweden – sie kamen von Süden aus Mähren – kam für die Dänen überraschend, denn ein Kriegsgrund lag nicht vor und außerdem fochten die Schweden auf protestantischer Seite. Die Rendsburger – damit auch die zur Festung gehörenden Dörfer - wußten nicht, ob die Schweden als Freunde oder als Feinde kamen. Als eine schwedische Artillerie-Einheit Jevenstedt erreicht hatte, forderte der schwedische General die Übergabe der Stadt. Man verhandelte und einigte sich auf die Einquartierung von 60 Mann und die Artilleristen. Das war wenig für damalige Verhältnisse, aber die Ansprüche der Schweden an das Quartier und die Verpflegung waren erheblich. Die Amtsakten verzeichnen zahlreiche Schadensmeldungen. Außerdem begannen die Schweden die Befestigungsanlagen instand zu setzten. Das bedeutete auch, das Borgstedter zu Schanzarbeiten (Baumaterial, Transport, Arbeit) herangezogen wurden. Die Schweden erwarteten einen dänische Angriff zusammen mit dem kaiserlichen Heer auf die Stadt. Das Heer kam auch, wenn auch erst ein halbes Jahr später. Die Schweden mußten die Stadt räumen und zurückweichen. Sie wichen aber nicht weit genug zurück und blieben im Lande. Der Grund dafür war, daß die Flotte der Schweden, die sie von Kiel nach Hause bringen sollte, durch ein Seegefecht teils beschädigt teils auch versenkt worden war. Daher blieben sie weiter im Land und standen im März 1648 erneut vor Rendsburg.
Anstelle der Schweden waren jetzt 800 Kaiserliche in der Festung unterzubringen. Die Schanzarbeiten gingen unter kaiserlichem Oberbefehl weiter. Der kaiserliche Stadtkommandant ließ die Stadtteile Vinzier, Kampen und Büdelsdorf abbrennen, weil er für die Verteidigung ein freies Schußfeld benötigte. Borgstedt blieb von dieser Verteidigungsmaßnahme verschont.
Die Schweden, etwa 3500 Soldaten, lagen vor der Stadt und bereiteten sich darauf vor, die Stadt zu stürmen. Die Schweden lagen auch in Borgstedt.
Die Verteidiger Rendsburgs waren Berufssoldaten, Bürgerwehr und eine 80 Mann starke Bauernkompanie. Ob sich Borgstedter darunter befunden haben, ist nicht überliefert. Die Verpflegung und die Munition reichten für ein halbes Jahr.
Man beschoß sich zwar gegenseitig, aber der befürchtete Sturmangriff blieb aus. Während der Belagerung zeigten die Eingeschlossenen den Schweden durch gelegentliche Ausfälle, daß ihre Kampfesbereitschaft ungebrochen war. Am 18. April 1645 fuhren die nachts mit Booten nach Borgstedt, überfielen dort schwedische Soldaten, töteten einige und nahmen einen gefangen. Diese Episode zeigt, daß alles, was um Rendsburg vorging, auch Borgstedt betraf. Mehrere Versuche, die Stadt im Sturm zu nehmen, scheiterten. Solange die Rendsburger die Schweden an die Belagerung banden, konnten die Dänen beruhigt sein. Es war inzwischen August geworden. Die Lebensmittel in der Stadt gingen zu Neige. Die Lage der Stadt spitzte sich zu. Eine erfolgreiche Verteidigung schien aussichtslos. Der schwedische General verlangte die Übergabe, andernfalls wolle er die Stadt stürmen. Man erbat Bedenkzeit.
In dieser prekären Situation überbrachte ein Bote aus Kopenhagen die Nachricht vom Friedensschluß zwischen Dänen und Schweden im schwedischen Brönsebro. Die Franzosen und Holländer hatten vermittelt. Der dänische König hatte mir seiner Kriegsbeteiligung zwar nichts erreicht, aber des Krieg war zu Ende, vorläufig jedenfalls.
Der Stadtkommandant lud seinen schwedischen Gegner und seine Offiziere in das Rendsburger Schloß ein. Die Chronik berichtet: „...diese sind... mit Wein... und Bier tractieret, daß sie einen guten Rausch hinausgetragen…“ Wer allerdings die Zeche zu bezahlen hatte, ist zwar nicht ausdrücklich vermerkt, vermutlich weil es selbstverständlich war, wer zur Kasse gebeten wurde. Die Belagerung ließ die Stadt zerstört. Von den ehemals 800 Soldaten blieben 150 gesund übrig, viele waren erkrankt. Wie viele Bauern und Soldaten getötet wurden, ist nicht überliefert. Die Dörfer Schacht-Audorf, Osterrönfeld, Westerrönfeld, Kampen, Vinzier und Büdelsdorf waren zerstört. Borgstedt blieb verschont. Da bereits der nächste Krieg drohte, vermochte kaum jemand an einen Wiederaufbau zu denken. Bitten an den dänische König auf eine Entschädigung blieben unbeachtet. Der König wies das Amt an, lediglich den Umfang der Spanndienste herab zu setzten.
Noch vor Abschluß des Westfälischen Friedens im Oktober 1648, der den großen deutschen, den 30-jährigen Krieg beendet, ist Christian IV. im Februar dieses Jahres gestorben. Seine Bemühungen, Schweden von den deutschen Küsten fernzuhalten, waren gescheitert. Der Friede hat dem aufstrebenden Schweden Vorpommern mit Stettin sowie Rügen und Wismar an der Ostsee und die einstigen Bistümer Verden und Bremen (ohne die Stadt) im Nordseeraum zugesprochen. Dieser territoriale Gewinn Schwedens legte den Keim zu weiteren ernsten Spannungen mit Dänemark.
Polakenkrieg 1658-1660
Was seinem Vorgänger, Christian IV. nicht gelang, versuchte der neue Dänenkönig Friedrich III. erneut, nämlich das nordische Gleichgewicht herzustellen – und bandelte erneut mit den Schweden an, mit Karl X. Gustav.
Dieser stand zu diesem Zeitpunkt mit seinem Heer in Polen als Friedrich III. den Krieg begann. Friedrich ordnete an, daß Rendsburg sich verteidigen müsse. Das würde den schwedische Vormarsch aufhalten. Doch dafür mußten die im vergangenen Krieg zerstörten Verteidigungsanlagen erst wieder instand gesetzt werden. Das sollten aber die Rendsburger auf eigene Kosten durchführen. Diese Anordnung betraf auch die Borgstedter. Die Verteidigungsanlagen wurden daraufhin verstärkt, denn die Furcht vor den Schweden war groß. Doch Karl X. zog mit seiner Armee zwar durch Rendsburg, ließ es aber in Ruhe. Er marschierte weiter in Richtung Jütland. Was jetzt als Kampfhandlung begann, kann man mit dem heutigen Begriff „Guerillakrieg“ bezeichnen. Bürger und Soldaten überfielen für die Schweden bestimmten Wagenfuhren und plünderten sie. Dabei gab es Tote, Verletzte und Gefangene. Der dänische König unterstützte ausdrücklich diese Art der Kriegsführung.
Doch der nächste Winter sollte für den Kriegsverlauf entscheidend werden. Der strenge Winter ließ die Ostsee zufrieren und die Schweden rückten zu Fuß über das Eis nach Seeland auf Kopenhagen zu. Die Dänen gaben auf und schlossen Frieden. Aber für Schleswig-Holstein ändert sich dadurch nichts. Die Schweden blieben weiter im Land und belagerten jetzt Rendsburg. Die Dänen, unterstützt von Österreichern, Brandenburgern und Polen, wehrten sich tapfer gegen die Angriffe der Schweden unter Karl X. Gustav. Erst 1658 zwang der Große Kurfürst von Brandenburg, die Schweden das Land zu verlassen. Doch bevor sie die Herzogtümer verließen, brannten sie alles nieder, was sie erreichen konnten. Der Große Kurfürst lebte drei Jahre auf Schloß Gottorf und ließ es sich dort gut gehen, während seine Generäle das Land plünderten.
Doch der Krieg schonte weder Freund noch Feind. Die Verbündeten der Dänen wüteten so erbarmungslos wie die Schweden. Besonders rücksichtslos sollen die verbündeten Polen im Lande gehaust haben. Die Bürger – auch die Borgstedter – wurden zu hohen Kontributionen (Zwangserhebung von Geldbeträgen) herangezogen. De Bevölkerung seufzte über fast untragbare Lasten durch Abgaben, Requisitionen und Einquartierungen. Wieder sammeln sich Banden von Schnapphähnen. Die Dörfer richten zumeist in den Kirchtürmen beständigen Wachdienst ein, damit die Bewohner bei nahender Gefahr alarmiert, mit ihrem Vieh und der wertvollsten Habe in Wäldern oder Mooren Schutz suchen können. Freilich mußten sie in Kauf nehmen, daß die Soldaten oder Banden die verlassenen Dörfer ausplünderten und niederbrannten. Die erlittenen Schäden sind beträchtlich. Von Borgstedt sind zwar keine Angaben über die Schäden überliefert, aber sie dürften in vergleichbarer Höhe gelegen haben wie in den Dörfern der benachbarten Hüttener Harde. Danach könnte bei vergleichbarer Dorfgröße, Borgstedt Schäden von etwa 3 000 Rth. (€ 150.000) erlitten haben. Der endgültige Friedensschluß 1660 in Kopenhagen hinterließ ein ausgeplündertes und wirtschaftlich ruiniertes Schleswig-Holstein.
Der nordische Krieg 1700-1721
Die politische Ausgangssituation im 18. Jahrhundert unterschied sich nur wenig von der des vergangenen Jahrhunderts. Die Fürstenhäuser verfuhren bei der Familienpolitik nach dem „Gestütsprinzip", das bedeutet: alle Regenten waren durch Heirat miteinander verwandt. Diese Politik hatte zur Folge, daß auch der geringste politische Vorfall eines kleinen Staates sogleich die Großmächte alarmierte und sie veranlaßte, sich in irgendeiner Form in den Konflikt einzuschalten.
Schweden und Dänen standen sich wieder einmal einander an der Eider feindlich gegenüber. Die Schweden hatten in dem Gottorfer Herzog ihren Verbündeten, schließlich war seine Schwester mit dem schwedischen König verheiratet und auf der anderen Seite drohte Friedrich IV von Dänemark. Die Herzöge von Schleswig (die Gottorfer) versuchten das Land neutral und aus den großen Konflikten Dänemarks herauszuhalten. Sie gerieten dadurch mit dem dänischen Königshaus aneinander. Von diesem Krieg blieb die Umgebung Rendsburgs dank seiner starken Befestigungen verschont, nicht aber von seinen Begleiterscheinungen, wie Einquartierungen, Seuchen und Kriegssteuern. So mußte jeder ein Sechstel seines Lohnes als Kriegssteuer abgeben, vermögendere Bürger zahlten je nach Einkommen und Lebensstil mehr. Wer sich eine Kutsche leistete, zahlte den Höchstbetrag von 20 Rth. Die Kriegshandlungen begannen 1700 und zogen Russen, Polen, Schweden Dänen – und damit auch die Herzogtümer sowie Sachsen in die Auseinandersetzungen hinein. Ansonsten bemerkte man die Kampfhandlungen bei uns nicht, wären nicht die Seuchen, insbesondere die Pest, eingeschleppt worden. 1721 endete der Krieg und er beendete auch gleichzeitig die schwedische Großmachtstellung im Ostseeraum. Dafür erschien Rußland als neue Großmacht in der Region.