Die Pest und andere Seuchen
Die Pest und andere Seuchen
nach dem Heimatbuch Eckernförde Teil II, bearbeitet von Johannes Witt, 2004
In den Jahren 1711 und 1712 des Nordischen Krieges, als fast ganz Nordeuropa mit Waffen aufeinander losging, suchte ein weit schlimmeres Übel als der Krieg die Herzogtümer heim, die Pest. Sie traf damals auch unsere Gegend.
Bereits früher, vom 6. bis zum 8. Jahrhundert wurde Europa von den ersten Pandemien überrollt, deren verheerendste und größte suchte von 1347 bis 1352 ganz Europa heim. Bis ins 18. Jahrhundert flackerte die Pest in Europa immer wieder in unterschiedlicher Ausprägung auf.
Im Volksglauben wurde die Pest als Geistwesen angesehen, als blaues Flämmchen, achten, übelriechenden Dunst, in Tier- oder Menschengestalt. Durch vielerlei Vorzeichen in der Natur (Sonnenfinsternis, Komet) kündigte sie sich an, so jedenfalls sagten es die, die es auch nicht besser wußten. Zur Abwehr zündete man Notfeuer an, verbrannte Kräuter, umkreist den vermeintlichen Standort der Pest mit dem Pflug, suchte sie anzupflocken und durch Schießen und Glockenläuten abzulenken. Irreal war das alles und unwirksam obendrein. Im Niesen machte sie sich dann real bemerkbar. Das allerdings war ein sicheres Anzeichen dafür, daß man die Pest hatte und es an der Zeit war, sich zur (letzten) Ruhe zu betten. Hilfe gab es jedenfalls keine.Den Erreger der Pest kannte man damals nicht. Es war das Pestbakterium, das durch Flöhe von Nagern (Rattenfloh) auf Menschen übertragen wird. Die Lungenpest wird durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch von einer bereits infizierten Person übertragen und sie ist die Ursache für die Völker verheerenden Epidemien. Erst 1894 wurde das Pestbakterium entdeckt. Entscheidende und erfolgreiche Schritte gegen die Pest waren die systematische Rattenbekämpfung und Hygienemaßnahmen, wie Sauberkeit in Wohnungen und auf den Straßen. Übrigens, unsere heutigen Rattenbekämpfungsmaßnahmen gehen auf diesen Umstand zurück.
Das einzig wirksame Mittel damals gegen die Pest war die Quarantäne. Warum diese Maßnahme richtig war, ahnte man zwar, wußte aber nicht warum.
Rendsburg wurde wegen der dort herrschenden Pest von dänischen und gottorfschen Truppen abgesperrt. Auch Büdelsdorf, Westerrönfeld, Schülp und Lehmbek wurden von der Pest befallen und ebenfalls abgesperrt. Fockbek, Nübbel und Borgstedt blieben pestfrei. Niemand durfte die isolierten Ortschaften verlassen. Und hineinzugehen wagte ohnehin niemand. Aber die eingesperrten Menschen mußten irgendwie versorgt werden. Bauern aus der Umgebung mußten Lebensmittel für die in den Sperrbezirken lebenden Menschen heranschaffen, was sie aus verständlichen Gründen ungern taten. So kam es z. B. in Büdelsdorf zu Versorgungsschwierigkeiten. Die Lebensmittel mußten aber in die Sperrbezirke hinein. Dienstags und sonnabends fanden daher außerhalb Rendsburgs und vor den Absperrungen Märkte statt. Die Standorte der Märkte wurden jeweils so eingerichtet, daß der Wind in Richtung auf die Stadt stand. Die Geschäfte wurden auf Distanz abgewickelt, das bedeutete, daß der Käufer das Geld für die Lebensmittel in wassergefüllte Schalen legte.
Die während einer früheren Pestepidemie (1629) in Lehmbek Verstorbenen sind in Särge aus Tannenholz gelegt und auf dem Pestfriedhof– er steht heute unter Denkmalschutz - begraben worden. Diese Särge sollen in Borgstedt angefertigt und am Exbach abgestellt worden sein. Das Geld für die Särge wurde in einen Eimer gelegt, der zu diesem Zweck dort abgestellt war. Denn nach Lehmbek durfte keiner hinein und wollte es wohl auch nicht. Ende des Jahres 1712 klang die Pest ab. Vom 9. August 1712 bis zum 1. Januar 1713 soll in Borgstedt ein Pestfriedhofs bestanden haben, dessen Lage nicht mehr bekannt ist.
Einige Jahre später, 1745, herrschte in ganz Deutschland die Rinderpest (Maul-und Klauenseuche). Sie vernichtete mancherorts den gesamten Bestand an Klauenvieh. Obgleich alle Viehdriften streng überwacht wurden, konnte man die Seuche vorerst nicht eindämmen. Das Amt Rendsburg erließ den betroffenen Bauern die Hälfte ihrer Steuern. Über Borgstedt weist die Akte eigenartigerweise keinerlei Angaben über Viehverluste aus. Offensichtlich ging hier alles gut.
Die Maul-und Klauenseuche wurde aber erst nach 1800 zu einer wahren Geißel für die Klauenviehbestände. Ganz besonders schlimm ging es 1811 zu. Das Erstaunliche daran ist, daß nur wenige Tiere zu Grunde gingen. Die erkrankten Tiere wurden gesund gepflegt. Die wirtschaftlichen Folgen der Seuche blieben dennoch spürbar.
Im Sommer 1850 bedrohte die Cholera unsere beiden Dörfer, aber sie erreichte sie nicht. In Rendsburg starben 160 Soldaten und 224 Bürger an der Seuche.