Das Mittelalter
Die Völkerwanderung veränderte das Gesicht des spätantiken Europas im 4. und 5. Jahrhundert grundlegend. Die germanischen Stämme verlagerten sich nach Westen und Süden. Über die folgenden Jahrhunderte wissen wir über unser Gebiet wenig. Das Land muss nach der Auswanderung der Angeln und Sachsen fast menschenleer geworden sein. Über das Alt-Kreisgebiet breitete sich die Ruhe des sogenannten Eisenwaldes.
Nach einer Jahrhunderte andauernden Ruhe kommt um die Wende zum 9. Jahrhundert politisch verursachte Unruhe in unser Gebiet. Zwei europäische Reiche beginnen sich auszudehnen, der Karolinger Karl und spätere Karl der Große im Süden und der Wikingerkönig und spätere erste Dänenkönig Göttrik im Norden und trafen an der Eider aufeinander, die als vorerst natürliche Grenze diente.
Insgesamt bewahrte die Landschaft zwischen Schlei, Kieler Förde und dem Oberlauf der Eider vom 9. bis in das 11. Jahrhundert hinein ihren Charakter als weitgehend geschlossenes Waldgebiet. In diesem Gebiet lagen vermutlich Streusiedlungen der Jüten und schwedischer Wikinger, die sich im Schleigebiet als Kolonisten betätigten. Bekannteste dieser Siedlung war Haithabu, am Haddebyer Noor gelegen. Die Fundstellen ähnlicher Besiedlung sind spärlich gesät. So gibt es aus dem 9. und 10. Jahrhundert einige Einzelstücke (Gräber) unter anderem aus Borgstedt. Die Siedlungen, welche für unsere Verhältnisse nahezu unzugänglich im Wald lagen, hielten dennoch Kontakt miteinander und trieben Handel. Es gab zu dieser Zeit zwar schon von Pferden gezogene Wagen, aber bei den schlechten Wegverhältnissen waren diese Transportmittel nur begrenzt einsetzbar. Daher erfolgte der gesamte Ferntransport auf dem Wasser. Somit waren alle Flußläufe, so auch die Eider, ganz wichtige Transportwege.
Die Lebensumstände der damaligen Zeit offenbaren anhand moderner Untersuchungen an Skeletten schwierige Lebensumstände. Eine hohe Säuglingssterblichkeit ging mit einer geringen Lebenserwartung einher. Nur wenige Menschen überschritten das 30. oder 40. Lebensjahr. Infektionskrankheiten wie die als „weiße Pest“ bezeichnete, die gefürchtete Tuberkulose, verkürzten die Lebenserwartungen. Die harten Lebensbedingungen beschleunigten das recht frühe Altern.
Als Zahlungsmittel waren vom dänischen König geprägte Münzen in Umlauf. Das Geld wurde auf besonderen Waagen abgewogen. Währungsmetall war Silber, das in entsprechender Menge von einer Stange abgehackt wurde. Der Wert eines Pferdes wurde mit 300 Gramm, der von 10 Hühnern mit einem Gramm beziffert. Der Tauschhandel war nur noch in bescheidenem Umfang üblich.
Außer den Großkaufleuten, die mit ihren Wagenkolonnen über Land fuhren, gab es die Wanderhändler, die per Pferd jedes Dorf erreichten und dann noch die Kleinhändler, die ihren Ware auf dem Rücken trugen. Sie erreichten auch die entlegensten Siedlungen. In dieser Zeit setzte in unserer Gegend auch die Christianisierung ein. In diesen Zusammenhang ist der Mönch Ansgar zu nennen, welcher einer der ersten Missionare war.
Nach 900 n. Chr. setzte zunächst noch zögernd, dann aber gezielt seit etwa 1100 n. Chr. der vorletzte umwälzende Besiedlung unseres Gebietes ein. Diesmal erfolgt er aus dem Norden durch die Jüten und einhundert Jahre später aus dem Süden durch die Holsten und Niedersachsen. In der Mitte unseres Alt-Kreises trafen beide zusammen, an der Eider, bei uns.
Während im allgemeinen die Bauern wohl allmählich und planlos in unser Gebiet einwanderten, gab es phasenweise anscheinend auch eine Lenkung der Landnahmen durch den dänischen König. Die Siedler genossen dabei eine gewisse Eigenständigkeit. 1025 entstanden gleichzeitig im „Land zwischen Schlei und Eider“ zahlreiche dänische Krongüter. Sie dienten dem Aufbau einer neuen Verwaltungsstruktur, bei der einzelne Königshöfe als herrschaftliche Stützpunkte dienten. Das mit einer Burg befestigte Rendsburg war so ein Krongut, zu dem auch Borgstedt gehörte. Die Rendsburger Burg sorgte in erster Linie für den Grenzschutz. Aber auch die Bewohner der zum Amt gehörenden Bewohnern aus der Umgebung stand sie bei Überfällen zu deren Schutz bereit. Des weiteren war die Burg ohne Bewohner der Umgebung nicht genügend zu verteidigen. So war eines von dem anderen abhängig. Für den im Notfall zu genießenden Schutz mussten die Dörfer Dienste zur Befestigung der Burg leisten und diese mit Lebensmitteln unterstützen. So bekam jede landesherrliche Burg einen bestimmten Schutz- und Pflichtbezirk. Zur Bewirtschaftung des Vorwerks hatten die Amtsuntertanen Hand- und Spanndienste zu leisten. Zum Rendsburger Vorwerk gehörte auch Ackerland. Während andere Dörfer das Feld zu pflügen hatten, mußten Borgstedt und Lehmbek das Korn einsäen und zusammen mit 10 Leuten aus Büdelsdorf das Getreide nach dem Mähen einhocken. Andere fuhren das Korn ein. Borgstedt, Lehmbek und sieben weitere Dörfer hatten die Wiesen zu mähen, das Gras zu trocknen und das Heu einzufahren. Dazu gehörte auch, die Einfriedigung der Äcker und Wiesen instand zu halten. Zu ihren Aufgaben zählten außerdem der Bau von Wegen und Brücken sowie deren Unterhaltung. Vom Kriegsdienste waren sie befreit. Die Borgstedter Bauern wurden vorzugsweise zu Transportleistungen und beim Ausbau der Rendsburger Burg, später zu den Festungsbauten herangezogen. Diese Struktur mußte bis in das Hochmittelalter bestanden haben.
Das Gebiet trug seit Alters her den Namen „Zwischen Schlei und Eider“. Der Name erscheint erstmals im Erdbuch Waldemars II. aus dem Jahre 1231. Die Bezeichnung des Landes deutet auf eine Sonderstellung des Gebietes innerhalb Dänemarks hin, bedingt durch seine Grenzlage. Nach 1325 findet man die Bezeichnung „Zwischen Schlei und Eider“ nur noch in einigen Kirchenbüchern.
Im 12. und noch im 13. Jahrhundert bedeckte nach wie vor der Eisenwald weitgehend unser dünn besiedelte Gegend. Nur wenige Wege führten durch das Dickicht zu den verstreut liegenden Rodungen. Anfangs beschränkten sich die Bauern darauf, Ackerland durch Roden der Urwaldes zu gewinnen. Die Bewohner gingen erst später daran, Flüsse einzudeichen, Sümpfe trocken zu legen, Moore urbar zu machen und Heideflächen unter den Pflug zu nehmen.
Die Beziehung der Siedler zur Landschaft fand ihren Niederschlag in den Orts- und Flurnamen wie beispielsweise Exwisch oder Holtwisch. Die Flurname ermöglichen es uns heute, unter anderem die Bodenbedeckung und Rodungstätigkeit in den vergangenen Zeiten grob zu erkennen. Von den um 1600 benutzten Flurnamen sind kaum mehr als die Hälfte heute noch in Gebrauch.
Da Borgstedt seit dem 12. Jahrhundert zu dem vormaligen Krongut Rendsburg gehörte, gab es auch in der Umgebung Rendsburgs kaum Großgrundbesitz, sondern hier hatte sich eine bäuerliche Kleinwirtschaft in Einzelhöfen gehalten. Was man benötigte, erzeugte man selbst. Aber eine wirtschaftliche Anbindung Borgstedts an Rendsburg als Marktplatz bestand damals noch nicht.
Der nächste adlige Grundbesitz lag in Lehmbek und trat 1313 zum ersten Mal in Erscheinung. Nach ihm benannte sich die Adelsfamilie der Lehmbek’s. Nicolaus Lehmbek wird in den Annalen als reicher und mächtiger holsteinischer Ritter bezeichnet, der seine Untertanen zu Gehorsam zwingt. Der germanische Adel (Landadel) setzte sich ursprünglich aus freien Erbbauern, die über bebaubares Land und die darauf arbeitenden Menschen verfügten, und durch Leistung an die Spitze der Gefolgschaft aufgerückten freien Kriegern zusammen, die sich schließlich zu einer durch Besitz und Macht ausgezeichneten Herrenschicht konstituierten. Der Adlige wohnte ursprünglich im Dorf und besaß dort eine oder mehrere Hufen, versuchte seinen Besitz durch Kauf, Tausch oder Willkür zu vergrößern.
Um 1200 kommt mit weiteren neuen Siedlern auch das Christentum in unser Gebiet und mit ihnen kommen, außer Adligen, auch die Ritter. Es sind Hauptleute, die über eigene Truppen verfügen, nach heutigem Sprachgebrauch sind es Söldner. Die Ritter bieten dem Landesherren wie die Adligen ihre Kriegsdienstleistungen an und der Landesherr vergalt es ihnen, wenn er es konnte, mit Geld, meistens jedoch durch Zuweisung von Ländereien. Die Ritter legten ihr Geld an; sie kauften Land und ließen es bewirtschaften, da der Kriegsdienst sie zum Umherziehen zwang.
Es klang schon mehrfach an, dass das Land von dichtem Wald bedeckt war. So schloß damals der Verkauf einiger Hufen in Borgstedt 1353 Holzungen mit ein. Damals besaß die adlige Familie „von Wisch“ – lateinisch „de Wisch“ genannt - einige Hufen im Dorf. Nicolaus von Wisch war im Schleswiger Herzogtum begütert, denn am 09. Februar 1375 bestätigt Graf Nicolaus von Holstein, daß jener dem Grafen Heinrich II. Grundbesitz im Dorfe Borgstedt verkauft habe. Über den Verkauf gibt es eine Urkunde in der Borgstedt erstmals schriftlich erwähnt wird. Dieses Jahrhundert fegte so unvorhersehbar, unerwartet und heftig wie die Flut nach einem Deichbruch über unser Gebiet hinweg und beendete jäh den Dämmerschlaf der Geschichte unseres Dorfes und der Umgebung.
Die relative politische Ruhe der vergangenen beiden Jahrhunderte näherte sich um 1300 dem Ende. Niemand hat aufgeschrieben, was der Bevölkerung Rendsburgs und der Umgebung in dieser Zeit widerfahren ist. In einer Hamburger Chronik sind jedoch Angaben über Hunger und Seuchen, die ganz Norddeutschland betroffen haben. Und Borgstedt wird davon kaum ausgenommen worden sein. Missernten und die Pest waren die schlimmsten Geißeln der damaligen Zeit. Das Leben damals war alles andere als eine Idylle.
Die schweren Jahr sollten nicht lange auf sich warten lassen. Um 1350 wurde ganz Europa von der aus Ostasien vordringenden Pest heimgesucht. Sie ist auch nach Schleswig-Holstein gekommen und hat ungefähr ein Drittel der Bevölkerung hinweg gerafft, manchmal sogar die Hälfte. Auch Borgstedt wird zwischen 1340 und 1350 schwer unter dem “Schwarzen Tod“ gelitten haben. Die Überlebenden waren nicht in der Lage, alles Land zu bebauen und alle Gebäude zu erhalten. Manche Ackerflächen und Höfe lagen somit wüst da.
Doch auch nachdem die Folgen der Pestzeit überwunden waren, hörten die Schwierigkeiten nicht auf. Verwüstungen durch Kriegszüge (die Adelsgeschlechter fochten untereinander Fehden aus) und Mißernten machten den Bauern immer wieder zu schaffen. Man muß bedenken, daß die Erträge damals viel geringer waren als heute. Die Ernte war voll befriedigend, wenn sie das Vierfache der Aussaat brachte, das sogenannte vierte Korn. In vielen Jahren wurde jedoch nur das dritte Korn oder noch weniger erdroschen.
Es wundert niemanden, wenn unter diesen schwierigen Bedingungen in den Jahren zwischen 1300 und 1500 in ganz Mittel- und Nordeuropa die Bevölkerungszahlen stark rückläufig waren. Zahllose Bauernstellen waren verlassen, viele Dörfer gingen ein. Auf der Gemarkung Alt-Duvensedt, an der Grenze zu Borgstedt hin, lag einstmals Schulendorf. In den Gettorfer Amtsrechnungen wird es noch 1587 erwähnt.
Im Gegenzug zu der allgemeinen Entvölkerung wanderte in den Jahren 1345 bis 1400 der Adel verstärkt in unser Gebiet ein. Nach 1345 zogen die holsteinischen Adligen geradezu in Scharen über die Eider. Adelsbesitz war zudem als Gegenleistung für Kriegsdienste von Steuern und Abgaben befreit. Mit Getreide,- und Viehhandel, Kriegsdiensten, Lösegeldern für Kriegsgefangene, Raub und Plünderungen hatten die nordelbischen Herren genügend Geld verdient, um sich in Schleswig und im übrigen Dänemark einzukaufen. Sie betrieben auch einen florierenden Immobilienhandel. Gebiete werden getauscht, verpfändet und vererbt. Die holsteinischen Grafen sind die größten Grundbesitzer zwischen Schlei und Eider, wenn es sich auch nur um Streubesitz gehandelt hat. In diese Zeit gehört auch die erste schriftliche Erwähnung des Dorfes (2. Februar 1375) in Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften.
Die Kalandbruderschaft (Bezeichnung für Verbindungen von Geistlichen und Laien, die sich im Mittelalter in vielen nordwestdeutschen Städten gebildet hatten) an der Rendsburger Marienkirche besaß in Borgstedt ebenfalls Land, von dem sie 1378 drei Hufen zur Stiftung einer Vikarie zur Verfügung stellt. Nach heutigen Begriffen wurde aus der Verpachtung eine Pastorenstelle finanziert.
Mit dem Vertrag von Riepen vom 5. März 1460 sollte die Region politisch stabilisiert werden. In dem Vertrag wurde festgelegt, das Schleswig dänisches Lehen blieb, Holstein deutsches. Aber in der Praxis wurden beide als Einheit regiert und erhielten einen gemeinsamen Rat. Den Vertrag schlossen Ritter und Lehnsherren mit ihren Landesherren unter dem Motto: „Op ewig ungedeeld“.
Die politischen Ereignisse bescherten unserer Region vorübergehend Ruhe, das bedeutete soviel wie „keinen Krieg“ und damit auch keine Plünderungen oder zusätzliche Kriegssteuern in größerem Ausmaß.
Das Kulturlandschaftsbild im Mittelalter war vielgestaltig - ein Mosaik aus Acker-, Weide- und Wiesenflächen unregelmäßig durchsetzt von Niederwäldern und Gebüschen. Weite Landesteile waren noch von unkultivierten Mooren und Heideflächen bedeckt. Nach der Gründung eines Dorfes wurde das Ackerland unter den Hufnern aufgeteilt worden. Da es damals in Borgstedt 4 Vollhufner und 4 Halbhufner gab, war jedes Gewann (Kamp) in 8 Streifen eingeteilt. Der Dorfhirte hatte aufzupassen, dass das Vieh nicht auf die bestellten Felder lief.
Die Dorfschläge wurden seit Jahrhunderten nach dem System der Dreifelderwirtschaft bestellt: Wintersaat, Sommersaat und Brache wechselten einander ab. Von Borgstedt sind keine schriftlich Verträge über die Nutzung überliefert, aber man darf davon ausgehen, dass es sie zumindest mündlich gegeben hat.